Hexen und mitunter auch Hexer waren Frauen und Männer
die sich außerhalb der Normen und Verhaltensgrundsätze
von Gesellschaft und Kirche bewegten. Sie hatten ein
Wissen im Umgang insbesondere mit Pflanzen, Tiere sowie
Naturmaterialien, der im Volksglauben als Zauberei
angesehen wurde. Von der Kirche wurde propagiert, dass
Hexen mit Dämonen und dem Teufel im Bunde standen.
Aus diesem Volksglauben, der auf Unwissenheit begründet
war, entstanden Sagen und Mythen, dann nahm sich die
Dichtung und die Kunst dieser faszinierenden Mischung
aus Fantasie, Aberglaube und auch Erotik an.
Der Sage nach fliegen zu Walpurgis, also in der Nacht
vom 30. April auf den 1. Mai, die Hexen auf Besen,
anderen Gerätschaften oder sogar Tieren aus allen
Himmelsrichtungen heran, um sich auf dem Brocken mit
ihrem Herrn und Meister, dem Teufel, zu vermählen. Sie
empfingen dann von Lucifer neue Zauberkräfte. Die Hexen
mussten jedoch rechtzeitig, bevor die Sonne aufging,
verschwunden sein, sonst waren sie dem Untergang
geweiht.
Die Ursprünge des Hexenwesens kommen wohl aus der
alten nordischen Mythologie und dem Naturglauben. Zum
einen fällt das Walpurgisdatum auf den Beginn des
nordischen Sommers, zum anderen waren bei den nordischen
Völkern Frauen in Naturheilkunde und Mystik sehr
versiert und genossen hohes Ansehen. Der christliche
Glaube veränderte die Rolle der Frau dann grundlegend
und gipfelte im späten Mittelalter sowie der frühen
Neuzeit in einer beispiellosen Hexenverfolgungskampagne.
Diese Hexenmanie, befördert durch die christliche
Kirche, war ein echter Prüfstein für die Menschen der
damaligen Zeit und brachte unvorstellbares Elend über
Teile der Bevölkerung. Die wahren Ursachen für diesen
Hexenwahn sind bis heute nicht hinreichend geklärt und
werden zum Teil sehr konträr diskutiert. Dazu kommt,
dass diesbezüglich die Quellen sehr spärlich sind.

Bilsenkraut
Franz Eugen Köhler, Köhler's Medizinal-Pflanzen 1897
Wer als Hexe angesehen wurde, hatte besondere
Kenntnisse und Fähigkeiten, die den anderen Zeitgenossen
unheimlich waren und deren Herkunft sie sich nicht
erklären konnten. Ganz besonders der Umgang mit Kräutern
und anderen Pflanzen war den Hexen zu eigen. Woher sie
diese Kenntnisse hatten ist nicht nachweisbar; oftmals
werden sie wohl über Generationen als eine Art Erbe
weitergeben worden sein.
Besonders die sogenannten Hexensalben tauchen über die
Jahrhunderte hinweg immer wieder in Überlieferungen auf.
Jedoch woraus bestanden diese Salben? Heute wissen wir:
Bestandteile waren giftige Nachtschattengewächse wie
Tollkirsche, Bilsenkraut und Stechapfel sowie das Aconit
des Eisenhutes. Der deutsche Pharmakologe und Toxikologe
Dr. Hermann Georg Fühner (1871-1944) formulierte dazu
1925: „Es kann kein Zweifel unterliegen, dass die
narkotische Hexensalbe ihr Opfer nicht nur betäubte,
sondern dasselbe den ganzen schönen Traum von der
Luftfahrt, vom festlichen Gelage, von Tanz und Liebe so
sinnfällig erleben ließ, dass es nach dem
Wiederaufwachen von der Wirklichkeit des Geträumten
überzeugt war.“
Es gibt Überlieferung von „Hexen“, die solche
Rauschzustände erlebt und sie als real empfunden hatten.
Sie hatten sich die Hexensalbe auf die nackte Haut
gestrichen und auf diese Weise wurden die
narkotisierenden Extrakte vom Körper aufgenommen und
konnten ihre halluzinogene Wirkung entfalten.
Bemerkenswert ist die häufig fiktiv erlebte Vorstellung
der Verwandlung in Tiergestalten durch die Wirkung der
Salbe. Die „Hexen“ glaubten sich in Katzen, Hasen,
Mäuse, Eulen, Wölfe, Gänse und anderes Getier verwandelt
zu haben.
Besonders das Schwarze Bilsenkraut - Hyoscyamus niger -
kam bei der Zubereitung der Hexensalbe zur Anwendung. Es
kommt fast überall in Europa vor und es enthält die in
geringen Mengen berauschenden, in größeren Mengen
hochgiftigen Alkaloide. Die ganze Pflanze ist sehr stark
giftig, besonders aber die Wurzeln und die Samen. Die
Blätter sind in Mengen über 0,5 g giftig. Etwa 15 Samen
sind für Kinder tödlich.
Es kann wohl angenommen werden, dass die „Hexen“ zur
wirksamen aber nicht tödlichen Herstellung ihrer Salben
diese testen mussten und auch Selbstversuche vornahmen.
Wir wissen heute, was die Menschen in alter Zeit nicht
wussten: Die im Schwarzen Bilsenkraut enthaltenen
Alkaloide erregen erst die Nervenendigungen der Haut und
lähmen diese anschließend. Die Frauen erlebten ihre
Selbstversuche als eine von der Haut ausgehende
Sinnestäuschung. Die Autosuggestion der Tierverwandlung,
des aus dem Körper emporwachsenden Haar- oder
Federkleides, wurde als reales Ereignis empfunden, was
die Illusion der Verwandlung perfekt machte. Die „Hexen“
haben als Kräuterfrauen oder Heilerinnen diese Salben
jedoch auch in der Bevölkerung angewandt. In der
Volksheilkunde wurde die Hexensalbe sowie andere Pulver
und Tinkturen mit den Alkaloiden des Bilsenkrautes als
narkotisch sowie krampflösendes Mittel eingesetzt. Auch
wurden die Blätter und auch die Samen des Bilsenkrautes
teilweise wegen des berauschenden Effektes geraucht, was
jedoch durch den schwankenden Wirkstoffgehalt
lebensgefährlich sein kann. Der Wirkstoff der Alkaloide
ist auch in Opium und seinen Tinkturen enthalten. Bis
zum 19. Jahrhundert wurden diese Alkaloid-Tinkturen auch
als Laudanum bezeichnet und sie wurden aus den Extrakten
des Bilsenkrautes gewonnen.
Die krautige Pflanze wird meist 30 bis 60 (in
Extremfällen bis ca. 170) Zentimeter hoch. Die Wurzel
ist spindelförmig und nach oben hin rübenförmig, der
Stängel ist klebrig. Die Blätter sind länglich-eiförmig
und grob buchtig gezähnt. Die unteren Blätter umfassen
den Stängel, die oberen sind schmal gestielt.
Bilsenkraut kann – je nach Zeitpunkt der Keimung – ein-
oder zweijährig sein. Bei zweijährigen Pflanzen
erscheint im ersten Jahr nur eine Blattrosette. Im
darauffolgenden Jahr kommt die Pflanze dann zur Blüte.
Den einjährigen Pflanzen fehlt oft der purpurne
Blütenfarbstoff.
Die trichterförmige Blüte ist schmutzig gelblich weiß
und violett geadert. Die Blüten sind in den Blattachseln
angeordnet. Die Frucht ist eine bauchige circa 1,5
Zentimeter lange Deckelkapsel, die vom Kelch umschlossen
wird. Der Samen ist graubraun, grubig vertieft und circa
1 mal 1,3 Millimeter groß. Die Blütezeit erstreckt sich
im Wesentlichen über die Monate Juni bis Oktober.
Besonders erwähnenswert ist zudem, dass die
wärmekeimenden Samen nachweislich bis zu 600 Jahren
keimfähig sind. Schwarzes Bilsenkraut wächst in
Schuttunkrautgesellschaften, an Wegrändern, Mauern und
so weiter. Es bevorzugt frische, nährstoff- und
stickstoffreiche Sand- oder Lehmböden.
Sicherlich sind bei der Anwendung dieser Wirkstoffe
durch die Kräuterfrauen Heilerfolge zu verzeichnen
gewesen, dann waren die Frauen Wunderheilerinnen – ihnen
war man dankbar. Ging die Behandlung jedoch schief, so
kam wohl schnell der Hexenruf auf.
Von Selbstversuchen mit Bilsenkraut ist in jeder Form
dringend anzuraten. Auch vom Kauf derartiger Hexensalben
sowie von Hexensalbenrezepturen aus dem Internet muss
wegen gravierender gesundheitlicher Risiken ebenso
dringend abgeraten werden. Bei falscher Dosierung können
diese tödlich sein.
zurück
Copyright Fotos: Archiv Copyright Text: Bernd Sternal |